Wie mich ein Wiedersehen Gedanken wälzen lässt von A nach B, vom Mond zur Erde, von Wien nach Sydney, von der Vergangenheit in die Zukunft, bis ich merke, wie müde mich das Wälzen macht.
Ich habe ihn wieder gesehen. Entgegen aller Vernunft, entgegen eines großen Willens, mit viel Neugier, mit viel Gier, Gier nach Abenteuer, Gier nach diesem Gefühl. Ich wollte es wissen und jetzt weiß ich nichts. Ich weiß, dass ich Zeit verschwendet habe, Zeit mit Sehnsucht. Er ist schön, er ist stolz, er ist traurig, er ist unsicher, er ist stark. Ich glaube, ich kenne ihn. Ich glaube, ich kann ihn sehen. Ich glaube, ich habe Verständnis für ihn, ich glaube, ich verstehe ihn. Dabei weiß ich nichts von ihm, seinen Gedanken, seinen Gewohnheiten, seinen Liebsten, seinen Gefühlen.
Ich habe ihn vor drei Jahren kennengelernt, mich am ersten Abend verliebt. Jetzt hat er mir etwas erzählt, das er mir an ebendiesem Abend erzählt hat, ich weiß es noch – ich kann mich an so vieles erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich habe alle Momente mit ihm nicht nur einmal erlebt, sondern mindestens 100 Mal alleine in der Retrospektive. So wie ich diesen Moment in Zürich noch viele Male erleben werde.
Ich frage mich, ob es die letzte Begegnung war. Ich habe mich in der Vergangenheit oft gefragt, ob wir uns wiedersehen, oder ob wir unsere letzte Begegnung schon hatten. Vor ziemlich genau zwei Jahren habe ich mich physisch von ihm verabschiedet. Ich habe geweint, ich saß am Flughafen, verließ meine Familie, meine Freunde und habe an ihn gedacht. Ich habe in Lissabon noch oft an ihn gedacht. Irgendwann hat er mich angerufen. Irgendwann war es nicht mehr wichtig, irgendwann konnte ich nicht mehr nachvollziehen, warum ich so fest an ein UNS geglaubt habe.
Irgendwann habe ich gesehen, dass du Sydney verläast und nach Zürich gehst. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob du wieder nach Wien zurückkommst. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob du jemals wieder einen Platz in meinem Leben haben wirst – die Antwort war mir egal – ich wollte weder das Eine, noch das Andere. Ich kenne dich nicht. Ich merke, dass ich nicht mehr über dich schreibe, sondern an dich. Während ich nach dem Ende für diesen Text suche, wird mir klar, dass dieser Text lächerlich ist. Du bist zurück in meinen Gedanken und da gehörst du nicht hin, es war schön dich zu sehen, aber du musst jetzt wieder gehen.
Reise in die Vergangenheit:
13.12.2016
Alles geht drunter und drüber und eigentlich tut sich nichts. Ich warte. Ich warte auf einen Job, auf einen Typen, auf eine Nachricht von einem Typen. Ich warte auf Veränderung. Warum warte ich? Warum tue ich nichts gegen diese Warterei? Warum fange ich nicht selbst etwas an? Warum bin nicht ich die Veränderung? Ich warte darauf, dass die Veränderung von außen kommt, anstatt aktiv mitzugestalten. Aus der Langeweile, die mir hier entsteht, wälze ich Gedanken von A nach B, vom Mond zur Erde, von Wien nach Sydney. Gedanken, die mich nicht weiterbringen. Ich erlebe spannende Begegnungen und diskutiere stundenlang – allerdings nur im Gedanken. Ich spiele verschiedene Versionen von Begegnungen durch, schreibe im Gedanken zahlreiche Nachrichten an die immer gleiche Person.
Es ist das Fehlen einer Beschäftigung, die mich immer wieder zurück zu diesem einen Menschen kommen lässt. Ich überlege mir ständig neue Begegnungen, ständig neue Texte, ständig neue Konversationen, die alle nie stattfinden, die alle nie stattfinden werden, auch das ist mir klar. Ich verschwende meine Zeit beim Warten, ich verschwende wichtige Lebenszeit, die mir keiner mehr zurückgeben kann.
Es gibt zwei Möglichkeiten, ich spiele meine Karten offen aus, ein letztes Mal sozusagen und sehe was passiert, oder ich beschäftige mich anderweitig, lenke mich ab und warte nicht mehr aktiv, sondern passiv. Dieser zweite Weg gefällt mir besser, weil ich Angst habe vor dem ersten, ich habe Angst davor, diesen Traum, dass dieser Mensch ein aktiver Teil (weil passiv ist er es, ohne es zu wissen) meines Lebens wird, platzen zu lassen durch seine Reaktion.
Im Mangel der Tatsache, dass es irgendwo Ablenkung gibt, habe ich wieder K. geschrieben, obwohl ich weiß, dass das genauso wenig ans Ziel führt, eigentlich nur das Ziel hat, mich selbst zu zerstreuen oder vielleicht auch das Ziel verfolgt, ihn zu zerstreuen, ihn an mich zu erinnern, obwohl er eine Neue hat, die wahrscheinlich besser zu ihm und seinem Universum passt. Vielleicht bin ich doch eifersüchtig, aber nicht auf seine neue Freundin, sondern darauf, dass er jemanden hat, dass er seine Gedanken teilen kann, dass er seinen Körper und seine Liebe teilen kann.
Und noch während ich ihm diese Zeilen schreibe, die eigentlich keine Bedeutung mehr haben, weiß ich, dass es ein Fehler ist und trotzdem stoppe ich mich nicht. Jetzt warte ich auf ihn, auf K., der mir vor zwei Monaten gesagt hat, dass er nicht möchte, dass ich weiterhin Teil seines aktiven Universums bin, der mich auch seiner Welt verbannt hat. Auch das respektiere ich nicht, obwohl es besser ist für ihn und wahrscheinlich auch für mich. Ich bin ein Egoist. Aus Mangel an Alternativen dringe ich wieder in seine Lebenswelt ein, wie ein Komet, den er nicht kommen sah, den er nicht abwehren konnte.
Ich warte, ich warte und dabei überlege ich, ob ich nun C. schreiben soll, ob ich ihn irgendwann frage, ob er mit mir spazieren geht, oder Kaffee trinken oder sogar Essen. Ich frage mich, ob wir jemals weitergehen, ich frage mich, ob ich ihn überhaupt nochmal sehe, ob wir uns nur noch einmal sehen oder ob wir uns doch kennenlernen irgendwann. So wie mich K. kennt, so wie ich K. kenne und ob er in zwei Monaten auch nur noch ein Stück Erinnerung ist mit dem ich spielen möchte, um mich abzulenken, abzulenken von dem nächsten Objekt der Begierde.
Oder gibt es das Happy End? Ist er das sündhaft teure Kleid, das ich mir so lange angesehen habe, aber nie anprobiert habe, dass dann am Ende wunderschön aussieht, oder ist er das sündhaft teure Kleid, von dem ich so lange geträumt habe, unerreichbar war und dann, als ich es endlich probiert habe, nicht passt? Wann werde ich diese Fragen beantworten? Darauf werde ich noch warten müssen. Mein Leben in der Warteschleife.