Ostersonntag auf dem Camino. Ein guter Tag für das Fest der Fruchtbarkeit.
Wir – José und ich – haben heute schon darüber gesprochen: Nach dem Winter ist jetzt die Zeit, wo alles zurückkommt, alles ankommt, neu geboren wird auf der Welt. Anlass war ein schwangeres Pferd. Schon öfter haben wir ein Schwangeres auf unserem bzw. neben unserem Weg entdeckt. Der Weg heute war angenehm und nicht zu anstrengend. 16 Kilometer waren es.
Gestern haben wir den Bus genommen, auch aus Angst, dass wir in der Pilgerherberge keinen Platz bekommen würden. Also wir nahmen den Bus schon vor unserem Zielort. So saßen 2 Pilger einfach im Bus. Es war schon schwierig zunächst, das zu akzeptieren, aber am Ende machen wir auch hier die Spielregeln und wenn wir entscheiden, vier Kilometer zähes, zum Teil gefährliches Stadtgebiet zu streichen, dann ist das unser Camino, der Weg, den wir gehen. Diese vier Kilometer haben wir so auch zurückgelegt, allerdings gespickt mit Eis oder Reis (fast ein Reim).
Erste Pinselschwünge
Heute schreibe ich zum ersten Mal, warum, weiß ich nicht. Vielleicht weil Ostern ist, ein besonderer Tag oder weil ich mir denke, dachte, dass man den Pinsel erst einmal in die Hand nehmen muss, um ein Gefühl dafür zu bekommen, um ihn zu benutzen. Mein Pinsel, mein Stift. Das Schreiben mein Talent. Worte mein Talent. Worte, die Form, wie ich mich ausdrücke, mich Ausdrücke, mich frei mache.
In den vergangenen 8 Tagen haben wir viel erlebt. Die Tage verrinnen, verlaufen ineinander wie Wasserfarben. Da war Regen, da war Frost, da war Sonne, da war Dampf, da war Kälte, da war Hitze, da war Wald, Strand, Meer, Fluß. Da waren Kühe, Schafe, Pferde, Salamander, Vögel, Katzen, Hunde, Wind, Nadeln, Blätter, Wiesen, Steine, Geröll, Asphalt, Beton, Graffiti, Zeichen, spanische Flechas, Räder, Lkws, Autos, Schmetterlinge, Blumen, Früchte, Feigen, Altes, Neues, neue Gesichter, neue Sprachen, neue Muster, alte Muster, Schmerz, viel Schmerz, zurückgehaltene Tränen, Mitgefühl, Ignoranz, Freude, Müdigkeit, viele Gedanken, Träume, Ideen, keine Ideen, Glück, Euphorie, Hoffnung. Faith.
Die Suche nach Fragen
Die Sonne ist mit dir, nicht Gott. Ich suche nach Fragen, nicht nach Antworten – nein, ich finde Fragen, will sie finden – das hat José gesagt. Darum macht er den Camino, nein, diese Reise. Er macht diese Reise mit mir und mit meinen schwer mitgenommenen Beinen. Beine, die mich weiterhin so tapfer und stark tragen. Tragen vielleicht bis ans Ende der Welt. Die mich an Orte tragen, die man ohne sie nie entdecken würde. Keep on moving, thats the key to joy. Bewegung im Gedanken, im Geist, Reisen. Weil ich mich füttere, mich nähre wie eine fleißige Biene, brauche ich jetzt die Toilette. Ja, so enden die ersten Pinselschwünge, die ersten Skizzen, mit einem großen Haufen.
Ich dachte niemals, dass ich so etwas schreibe, aber sag niemals nie, so limitierst du dich nur selbst. Sei frei, offen, auch offen für Alltägliches. Es muss nicht immer Gold sein, nicht immer vergoldete Worte… oder Gedanken. Alles darf. Keine Selbstlimitierung auf Grund von Vorstellungen, Regeln, Verinnerlichungen, die man vielleicht noch nicht einmal selbst aufgebaut hat, sondern nur übernommen im Glauben, dass es so zu sein hätte. So und nicht anders. Meine Worte zum Tage. Urbi et Orbi. Holy shit.